Compliance im österreichischen Parlament

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(Foto: © Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS)

Ein virtueller Besuch bei Mag.a Clara Steinhardt, Compliancebeauftragte des österreichischen Parlaments

Die Juristin Clara Steinhardt ist seit Ende 2017 die Compliancebeauftragte der Parlamentsdirektion. Seit dem Frühjahr 2018 ist sie Mitglied im IBN.

Clara Steinhardt
© Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS

Seit wann gibt es die Compliance im österreichischen Parlament?
Clara Steinhardt: Die Compliance gibt es seit Ende 2017. Anfangs war ich nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion zuständig. Ich biete vertrauliche Beratung sowie Workshops an und schlage dem Parlamentsdirektor auf Basis einer Compliance-Risikoanalyse weitere Maßnahmen zur Compliance-Risikominimierung innerhalb der Parlamentsdirektion vor. Im April 2019 wurde das Beratungs- und Schulungsangebot auch auf die Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates ausgedehnt.

Wie läuft die Beratung ab?
Clara Steinhardt: Man kann sich vertraulich an mich wenden, wenn man in einer Situation ist, in der man unsicher ist, wie man korrekt handeln soll. Die Beratung endet stets mit einer schriftlichen Compliance-Einschätzung, die immer auch eine konkrete Handlungsempfehlung beinhaltet. Mir ist dabei besonders wichtig, nicht nur auf die geltende Rechtslage aufmerksam zu machen, sondern darüber hinaus auch für sonstige Risiken zu sensibilisieren, insbesondere Reputationsrisiken. Compliance ist schließlich mehr als nur das Handeln im Einklang mit dem (Straf)recht. Der Mehrwert der Beratung besteht darin, dass möglichst alle Aspekte und Risiken, die ein gewisser Sachverhalt birgt, in die Abwägung des Für und Wider miteinbezogen werden. Auf dieser Basis können informierte und eigenverantwortliche Entscheidungen getroffen werden. Es ist nicht vorgesehen, dass ich nachprüfe, ob entsprechend meiner Empfehlung gehandelt wurde. Ich lege viel Wert darauf, dass nachvollziehbar ist, wie ich zu meiner Beurteilung gelange und dass die Einschätzungen konsistent sind. Seit Jänner 2018 haben wir insgesamt 207 Anfragen bearbeitet, wobei das Anfragevolumen durch die Coronakrise zeitweise zurückgegangen ist.

Welche Schulungen gab es bisher?
Clara Steinhardt: Für die Mitarbeiter/innen der Parlamentsdirektion haben wir bisher beispielsweise Workshops zum korrekten Umgang mit Vertragspartner/innen, Nebenbeschäftigungen, Teilnahme an Veranstaltungen sowie Compliance-Module in der hausinternen Grundausbildung abgehalten. Für die Mandatar/innen gab es Schulungen zum Thema Vorteilsannahme, Teilnahme an Veranstaltungen sowie zum Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz. Teilweise kooperieren wir bei Schulungen mit anderen Abteilungen des Hauses. Sowohl Mandatar/innen als auch Abteilungen der Parlamentsdirektion können uns auch für Schulungen zu Spezialthemen buchen. Die Führungskräfte erreichen wir mit Präsentationen im Rahmen der sogenannten Quartalsgespräche der Führungskräfte. Seit 2018 haben wir 361 Personen geschult.

Zuletzt wurde der Ethikkodex der Parlamentsdirektion veröffentlicht?
Clara Steinhardt: Genau! Das Projekt ist mir besonders wichtig. Mein Ziel war es, die geltenden Regelungen zugeschnitten auf das Arbeiten in der Parlamentsdirektion in einer Weise darzustellen, dass auch juristische Laien etwas damit anfangen können. Jeder Verhaltensgrundsatz ist anhand zahlreicher fiktiver Beispiele erläutert. Besonders freut mich auch, dass die Beispiele mit originellen Zeichnungen einer Grafikerin der Parlamentsdirektion illustriert sind, welche in pointierter Weise auf den Punkt bringen, worum es geht. Im Vorfeld der Veröffentlichung haben wir uns mit zahlreichen Abteilungen der Parlamentsdirektion und Personen aus dem IBN ausgetauscht, um Input einzuholen. Das Direktorium hat das Projekt von Anfang an unterstützt und auch anlässlich der Veröffentlichung in einer Videobotschaft die Bedeutung des Kodex‘ betont. Demnächst werde ich virtuelle Fragerunden zum Ethikkodex abhalten, um Fragen der Mitarbeiter/innen zum Ethikkodex zu beantworten, Praxisbeispiele zu diskutieren und Feedback einzuholen. Die Ergebnisse werden in die Evaluierung und Aktualisierung des Kodex‘ am Ende des Jahres einfließen.

Der Ethikkodex soll ein lebendes Dokument sein, das bei Bedarf niederschwellig adaptiert werden kann. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Ethikkodex richtet sich an die Mitarbeiter/innen der Parlamentsdirektion, nicht aber an die Parlamentarier/innen. Für Parlamentarier/innen wurden als Ergebnis des politischen Prozesses im März 2021 Verhaltensregeln veröffentlicht.

Welche Herausforderungen kommen auf die Compliance in der Parlamentsdirektion zu?
Clara Steinhardt: Die größte Herausforderung liegt derzeit gewiss darin, als Compliance während der Corona-Pandemie präsent zu bleiben. Das wird uns hoffentlich mit den bevorstehenden Fragerunden zum Ethikkodex gelingen. Auch mit den Klubdirektor/innen der parlamentarischen Klubs und den Büros des Nationalratspräsidenten, der Zweiten Präsidentin und des Dritten Präsidenten suchen wir trotz Pandemie regelmäßig den Austausch. Im Laufe dieses Jahres wollen wir auch eine Sponsoringrichtlinie für die Parlamentsdirektion auf den Weg bringen. Abgesehen davon sehe ich es als wichtige Aufgabe, dass die Compliance nicht nur jene Menschen erreicht, die bereits ein gewisses Compliance-Bewusstsein haben und sich Gedanken zum korrekten Handeln machen, sondern auch die anderen, die sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt haben.

(Foto: © Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS)
(Autorin: Mag.a Clara Steinhardt)

Links:
Compliance (parlament.gv.at)
Ethikkodex der Parlamentsdirektion

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