Home Allgemein Integrität als Teil der Organisationskultur – 6 Ansätze des Bundeskanzleramtes

Integrität als Teil der Organisationskultur – 6 Ansätze des Bundeskanzleramtes

von Evelyn Liebhart

Das Einwirken auf das organisationskulturelle Selbstverständnis ist ein wesentliches Element, wenn es um die Integrität einer Organisation geht. Es gibt dazu kein allgemeingültiges Rezept, aber Handlungsansätze, die in diese Richtung wirken. Sechs – aus Sicht der Verfasser:innen – hervorhebenswerte Ansätze finden sich in diesem Beitrag.

1 | Kommunizierende Gefäße: Werte und Regeln

Dem öffentlichen Sektor wird mitunter vorgehalten, eine Flut an Normen zu generieren und damit die Normadressatinnen und Normadressaten zu überfordern. Auch wenn derartige Überlegungen häufig vorurteilsbehaftet und viel zu undifferenziert vorgebracht werden, ist im Innenverhältnis doch eine wesentliche Erkenntnis die, dass ein funktionierendes Werteverständnis enorm elaborierte und dementsprechend umfangreiche Regeln oft verzichtbar macht. Und dass umgekehrt ein noch so dichtes Regelwerk einen funktionierenden Wertekompass nicht wirklich ersetzen kann. Letzten Endes sind Normen in Arbeitsanweisungen, Richtlinien oder andere Typen von Vorgaben gegossener Ausdruck von Wertvorstellungen. Es lohnt sich also – auch im Sinne von Effektivität und Effizienz – das bestehende Werteverständnis einer Organisation zu kennen, seine Stärken zu nutzen und allfällige Schwächen zu kompensieren. Und dabei ist ein offenes Ansprechen dieser Thematik meist der beste Weg, um Bewusstsein zu schaffen. Wie gut das gelingt, ist eine Frage der Glaubwürdigkeit: Leitbilder und vergleichbare Dokumente sind umso wertvoller, je besser das gelebte Selbstverständnis einer Organisation auch mit dem Geschriebenen übereinstimmt.

 

2 | Eine positive Zielvorstellung entwickeln

Der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry (1900 – 1944) hat geschrieben, dass man, will man ein Schiff bauen, nicht Baupläne zeichnen, Menschen versammeln und Arbeit einteilen solle, sondern die Menschen die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer lehren solle . In sehr vielen Fällen gibt es eine Vorstellung der großen Mehrheit in einer Organisation in Bezug auf ein Wertegefüge, das gerade Ziele wie Integrität, Fairness, Verlässlichkeit und Vertrauen beinhaltet. An solche Vorstellungen gilt es anzuknüpfen. Die gute Nachricht ist, dass eine positive Zielvorstellung nicht nur keine Kosten verursacht, sondern – betriebswirtschaftlich messbare – Kosten aus unerwünschten Phänomenen reduzieren hilft und Reputationsschäden vermeiden kann.

 

3 | Das Problematische an informalen Organisationsstrukturen

Neben der offiziellen Organisationsstruktur haben Organisationen auch informale Strukturen, die gänzlich losgelöst von der normierten Struktur existieren. Das ist grundsätzlich ein normales Resultat sozialer Interaktion und bietet eine Reihe von Vorteilen, wie etwa die Beschleunigung von Informationsflüssen und die Agilität von Prozessdurchläufen. Informale Strukturen können aber massive Probleme bereiten, wenn sie die formalen, also von der zuständigen Stelle vorgegebenen Strukturen oder Werte konterkarieren. Im ungünstigsten Fall entwickelt sich ein Netzwerk von Akteurinnen bzw. Akteuren, die beispielsweise im Hinblick auf Kommunikationswege oder Sanktionen ein Eigenleben entfalten, das nicht den Zielen der Organisation dient, sondern den persönlichen Interessen der Akteurinnen und Akteure in dieser Konstellation. Lehrbuchhaft-anschauliche Beispiele sind gerade korruptive Handlungen wie Postenschacher, Mobbing oder das Unterdrücken von Sanktionen bei Fehlverhalten. Eine derartige Entwicklung kann eine slippery-slope-Dynamik annehmen, d. h. sich auf Grund der hochproblematischen Anreizwirkung beschleunigen und gerade für die Integrität enorm schädlich sein, weil dadurch Anreize für integres Handeln in ihr Gegenteil verkehrt werden. Daher sollte die Leitung einer Organisation Indizien in diese Richtung (wie etwa Meldungen im Rahmen des HinweisgeberInnenschutzes, Mobbingfälle oder auffällige Daten aus Befragungen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement) sehr ernst nehmen und unmissverständlich deutlich machen, dass rote Linien bestehen, deren Überschreitung sanktioniert wird.

 

4 | Fehlerkultur statt falsch verstandener Korpsgeist

Wie mit Fehlern umgegangen wird, ist ebenfalls Teil des organisationalen Selbstverständnisses. Im Rahmen bestehender gesetzlicher Vorschriften gibt es dabei durchaus Spielräume, die im Sinne der Organisation genutzt werden können. Dazu gehört, mit Fehlern so umzugehen, dass sie als Impulsgeber für Verbesserungen gesehen werden können. Das sagt sich zugegebenermaßen leichter, als es in der Realität umgesetzt werden kann, ist doch der Umgang mit Fehlern vielfach mit Ängsten vor Nachteilen oder Schuldzuweisungen verbunden. Dabei muss es aber nicht bleiben, auch hier hat die Leitung einer Organisation durch den tone from the top die Möglichkeit, positive Entwicklungen anzustoßen. Mit einem falsch verstandenen Korpsgeist, der vorschnell die Thematisierung von Fehlern oder Missständen als „Anschwärzen“ diskreditiert, ist niemandem gedient. Mit einer Kultur der Vernaderung natürlich auch nicht, aber die Bandbreite an Handlungsmöglichkeiten besteht nicht nur aus den (Nicht-)Optionen Vernadern oder Verschweigen. In Wahrheit ergänzen sich eine positive Fehlerkultur und die Möglichkeit, Missstände zur Verbesserung einer Organisation aufzuzeigen. Die im Vorfeld der Implementierung der Meldekanäle im Zusammenhang mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz fallweise geäußerten Befürchtungen, dass sich dieses Instrument als Plattform für Vernaderer und/oder Querulantinnen bzw. Querulanten entwickeln würde, haben sich nach den bisher einordenbaren Erkenntnissen erfreulicher Weise nicht bestätigt.

5 | Klare und zeitnahe Antworten auf Fragen geben

Selbst (und durchaus nicht selten: gerade) bei einem sehr ausgeprägten Bewusstsein für integres Verhalten bleiben für die Einzelne bzw. den Einzelnen Zweifelsfälle, für die es in einer Organisation eine Ansprechstelle geben sollte, beispielsweise eine oder einen Compliancebeauftragte oder –beauftragten. Je niedriger die Hemmschwelle ist, sich dort Rat holen zu können, desto mehr trägt das zur Stärkung des Integritätsbewusstseins bei. Das gilt auch für den Modus der Beantwortung: Je zeitnäher und je klarer die Antworten auf (meist sehr spezifische) Anfragen sind, desto positiver ist das Echo in der Organisation, was wiederum dazu beiträgt, dass das Bewusstsein für die Integritätsthematik zunimmt und Anstrengungen in diese Richtung positiv bewertet werden. Auf dieser Basis werden Bemühungen der Organisation nicht unter dem Aspekt drohender Strafen gesehen, sondern als Service, der sowohl die einzelne Mitarbeiterin bzw. den einzelnen Mitarbeiter wie auch die Organisation insgesamt schützt.

 

6 | Ein ganzheitlicher Zugang diffundiert wirksamer

Integrität sollte nicht auf den Bereich Korruptionsprävention reduziert werden. Konsequenter Weise und mit guten Gründen greift bekanntlich auch der Verhaltenskodex des Bundes „Die VerANTWORTung liegt bei mir“ eine Reihe von Themen auf, darunter Rechtsstaatlichkeit, Befangenheit, Verschwiegenheit und Nebenbeschäftigungen. Mit der Beleuchtung der Breite der Integritätsthematik schwindet auch die manchmal geäußerte Überzeugung von Mitarbeitenden in Organisationen, von diesem Thema ohnehin in keiner Weise betroffen zu sein. Zur Ganzheitlichkeit gehört auch die Tatsache, dass aus einer integer arbeitenden Organisation sowohl Arbeitnehmer wie auch die Organisation insgesamt Vorteile ziehen kann. Und zur Ganzheitlichkeit gehört nicht zuletzt, dass das Vertrauen der Menschen in die öffentliche Verwaltung ein Beitrag zur Stabilität einer rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung ist.
Letzten Endes geht es bei Maßnahmen zur Stärkung der Integrität um ein auf die Organisation abgestimmtes Vorgehen, bei dem die Innensicht eine wichtige, wenn nicht sogar unverzichtbare Voraussetzung ist.

Quellenverzeichnis:
Autor:innen: Bundeskanzleramt – Compliance
Fotocredits: BKA

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