Von Korruption zerfressen. Russlands Armee kämpft nicht nur gegen die Ukraine.
(Auszüge aus Online-Beiträgen von Maxim Kireev (MDR), Sarah Platz (N-TV) und Haucke Friedrichs (ZEIT-Online).
Zu Beginn des Krieges in der Ukraine herrschte die Meinung vor, dass sich die unterfinanzierte und korruptionsgeplagte ehemalige Sowjetarmee zu einer modernen, zahlenmäßig starken und mittlerweile auch kampferprobten Truppe entwickelt habe (siehe auch Wiener Zeitung oder FOCUS-online).
Nunmehr, nach über zwei Monaten Krieg, scheint sich ein etwas anderes Bild abzuzeichnen. Offensichtlich ist ein Großteil des Budgets für das russische Militär in den letzten Jahren aufgrund von Korruption in dunklen Kanälen verschwunden. So verfügen die russischen Soldaten im Zuge der Invasion oft nur über Lebensmittelrationen, die seit 2015 abgelaufen sind. Vermutlich ist die Unterversorgung mit ausreichender und guter Verpflegung auch der Grund, warum es zu Plünderungen von Lebensmitteln durch russische Soldaten in den von ihnen besetzten Gebieten kommt. Russische Medien haben bereits in der Vergangenheit berichtet, dass die Mahlzeiten für das Militär oft schlechter sind als in russischen Gefängnissen. Auch auf dem Schwarzmarkt sollen Essensrationen aus Militärbeständen aufgetaucht sein. Das Sprichwort „Ohne Mampf kein Kampf“ bewahrheitet sich auch in diesem Krieg.
Doch nicht erst seit der russischen Invasion sind die eklatanten Mängel bei der Verpflegung der russischen Soldaten bekannt. Einer der letzten Berichte in den russischen Medien (sobesednik.ru – übersetzt mittels Google) vom November 2021 war diesem Thema gewidmet. Neben der Qualität der Verpflegung wird hier auch die Verbindung der Lebensmittelunternehmen zum russischen Verteidigungsministerium dargelegt. Zitat: „Zufällig haben die Unternehmen, die das Militär mit Lebensmittel versorgen, eine Verbindung zum Geschäftsmann Jewgeni Progischin (siehe Handelsblatt.com), der als „Kremel-Gastronom“ oder „Koch Wladimir Putins“ bezeichnet wird.“ Unternehmensgewinne in Milliardenhöhe sind keine Seltenheit.
Langjährige Korruption und Unterschlagung gab es auch schon in anderen Konflikten. Im Afghanistankrieg ab 2014 waren zum Beispiel die sogenannten Geistersoldaten ein echtes und immer wieder auftauchendes Problem. Es mehrten sich die Hinweise, dass viele der auf der Gehaltsliste stehenden Soldaten und Polizisten gar nicht existierten. Sie waren tot, desertiert oder erfunden. Ihren Sold strichen die Vorgesetzten ein, die dann natürlich nicht zugeben konnten, dass sie zu wenig Kämpfer hatten. Der US-Generalinspekteur für den Wiederaufbau Afghanistans schätzte bereits 2017, dass Washington für zehntausende Geistersoldaten in Afghanistan Sold bezahlte. Die Übernahme Afghanistans durch die Taliban im Jahr 2020 hat diese Einschätzung vermutlich bestätigt.
In Russland gibt es mitunter Schauprozesse gegen Militärangehörige, die wegen Korruption verurteilt werden. Darüber berichten auch die staatlichen Medien. Aber am System ändert sich nichts. Vor 15 Jahren gab es einen Versuch, die Korruption in den Streitkräften durch Reformen zu bekämpfen, aber das ist nicht gelungen. Noch immer versickert viel Geld auf dem Weg vom Verteidigungsministerium zu den Kampftruppen, bleibt in den Taschen von Politikern, Rüstungsfunktionären und Generälen.
Neben der Tatsache, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg seitens Russlands handelt, trägt die Korruption innerhalb der russischen Streitkräfte dazu bei, dass die Moral der Soldaten weiter sinkt und damit auch der letzte Rest von integrem Handeln schwindet.
Insofern soll das Beispiel der schlechten Verpflegung der Soldaten im Gegensatz zu den Milliardengewinnen der dafür verantwortlichen Lebensmittelkonzerne zeigen, wie sich die Folgen von Korruption oft erst langfristig, dafür aber umso nachhaltiger und eklatanter bemerkbar machen.
Peter SVIRAK